| |

solarzellen aus dem schnellkochtopf.

oder: Solarzellen aus dem Labor? Elektronen nutzen, um sie zu untersuchen? Ein Gespräch.

Dieser Text über Solarzellen aus dem Schnellkochtopf entstand als Beitrag für die Teilnahme am KlarText Preis für Wissenschaftskommunikation 2020. Ich habe leider nicht gewonnen. Aber ich habe – finde ich zumindest – trotzdem einen schöne Erklärung über meine Doktorarbeit geschrieben.
Da ich eine Geschichtenerzählerin bin ist es eine Geschichte geworden – oder, genauer: ein Gespräch. Viel Spaß beim Lesen!


„Du bist Wissenschaftlerin? Was macht man denn da?“

Wir sitzen auf den Straßen Hanois, Vietnam, um uns das lebendige Treiben der Stadt – hupende Roller, Menschen rufen, es riecht nach Pho Bo Suppe aus einer der Garküchen. Es ist mein erster Urlaub nach meiner Doktorarbeit.

„Ich habe an einem Material für Solarzellen gearbeitet“, erkläre ich meinem Gegenüber. In dem Moment bläst mir ein Roller eine dicke Wolke Abgas ins Gesicht. „Hier, lass uns damit anfangen.“ Ich wedle die Wolke weg. „In Zeiten von Fridays for Future ist Klimawandel jedem ein Begriff. Ein Weg aus der Misere ist die Energiewende – weg von fossilen Brennstoffen wie Kohle und Öl hin zu erneuerbaren Energien.“ Ich deute nach oben. „Eine schier unerschöpfliche Energiequelle ist unsere Sonne. Sonnenlicht kann man zum Beispiel mit Solarzellen in Strom umwandeln. An Materialien, die man dafür nutzen kann, arbeitet unsere Forschungsgruppe.“

„Aber Solarzellen gibt es doch schon.

Was muss man daran noch untersuchen?“, fragt mein Gegenüber.

„Klar, die gibt es schon. Momentan wird hauptsächlich Silizium in Solarzellen benutzt. Allerdings gibt es Materialien, die sich viel besser dafür eignen – und an so einem habe ich geforscht“, erkläre ich. „Bleiben wir kurz bei Silizium: es hat keine idealen Eigenschaften für den Einsatz in Solarzellen. Zusätzlich ist die Herstellung von reinem Silizium aufwendig, das macht die Solarzelle in der Summe teuer.“ Ich zeige auf die Leute um mich herum. „Wir wollen aber, dass sich Jeder Solarzellen leisten und damit zur Energiewende beitragen kann. Daher arbeiten wir in unserer Forschungsgruppe daran, die Eigenschaften solcher alternativer Materialien zu verbessern, aber auch daran, ihre Herstellung einfacher und günstiger zu machen.“

„Das klingt ja nobel, aber was genau hast du gemacht?“ Mein Gegenüber sieht mich zweifelnd an.

„Ich stehe viel im Labor“, sage ich und ernte einen Lacher.

Solarzellen aus dem Chemielabor
Bild von deepakrit auf Pixabay.

„Also mit weißem Kittel und allem?“

„Genau! Größtenteils stehe ich tatsächlich mit Kittel im Labor und stelle Schichten eines Materials her, das Kupferindiumsulfid heißt. Das Material wird auch schon in Solarzellen benutzt, daher habe ich mich nicht so sehr auf die Anwendung konzentriert. Ich habe vielmehr die Herstellung des Materials – die chemische Synthese – untersucht.“ Ich zeige wieder auf das geordnete Chaos um uns – Roller, Fußgänger, Autos. „Mit chemischen Synthesen ist es so wie hier: jeder Verkehrsteilnehmer beeinflusst den anderen, zum Beispiel spielt die Geschwindigkeit der Teilnehmer eine große Rolle.

“Ähnlich ist es bei chemischen Synthesen. Hier beeinflusst die Zeit, die einer Reaktion gegeben wird, oder die Temperatur, bei der sie stattfindet, das Ergebnis. Wenn etwas industriell hergestellt wird, will man natürlich nicht, dass schon die kleinste Ungenauigkeit zu einem anderen Ergebnis führt. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass unsere Herstellungsmethode in einem weiten Bereich an möglichen Temperaturen und Zeiten funktioniert und das gleiche Produkt ergibt. Man muss also die Temperatur nicht auf das Grad genau treffen, um das richtige Produkt zu erhalten.“

„Wie genau hast du das denn gemacht?

“Bei Chemie stelle ich mir vor, dass irgendetwas explodieren muss!“

Ich muss lachen. „Nein, bei meiner Synthese ist nichts explodiert.“

Ich deute auf eine der Garküchen hinter uns. „Mein Verfahren ist vergleichbar mit dem Kochen von Suppe in einem Schnellkochtopf, den man auch Dampfdrucktopf nennt. In solch einem Topf kann man zum Beispiel die Brühe für Pho Bo Suppe viel schneller kochen als in einem normalen Topf. Der Fachbegriff für meine Herstellungsmethode ist Solvothermalsynthese. Solvo kommt aus dem Lateinischen und heißt lösen, thermós kommt aus dem Griechischen und heißt heiß. In einem Lösungsmittel, in meinem Fall Ethanol, werden die Ausgangsstoffe gelöst. Für Kupferindiumsulfid benötigt man Stoffe, die Kupfer, Indium und Schwefel enthalten – das können zum Beispiel Salze sein. Die Lösung gibt man dann in einen Behälter, einen sogenannten Autoklav, den man fest verschließt und in einen Ofen stellt. Die Temperatur des Ofens muss dann lediglich höher sein als die Siedetemperatur des Lösungsmittels.

“Ein Beispiel: Die Siedetemperatur von Ethanol ist etwa 78 °C, der Ofen muss also nur etwas wärmer sein. Verglichen mit den Temperaturen, die für die Herstellung von Silizium üblich sind – um die 1000 °C! – ist das sehr gering. Dadurch, dass die Flüssigkeit anfängt zu verdampfen, der Behälter aber geschlossen ist, baut sich ein Druck auf, wie im Schnellkochtopf. Der Druck führt dazu, dass man viele interessante Strukturen herstellen kann, die man durch andere Verfahren nicht erreicht.“

„Okay, das klingt so einfach wie Kochen.

“Aber was genau meinst du mit Strukturen?“

„Damit meine ich, wie beispielsweise die Oberfläche aussieht. Die Materialien, die wir herstellen, sind oft sehr klein, sehen aber interessant aus. Vielleicht hast du schon mal ein Haar unter einem Lichtmikroskop gesehen? Da sieht man, dass es nicht so glatt ist wie man denkt. Ähnlich verhält es sich mit den Materialien, die wir untersuchen. Ihre Oberflächen sind sehr fein geformt, was man mit den Augen nicht erkennen kann. Ich habe Kupferindiumsulfid-Schichten hergestellt, deren Oberfläche an feine Blütenblätter erinnert. Und die einzelnen Blütenblätter sind viel dünner als ein menschliches Haar!“

„Das ist klein! Untersuchst du das dann auch unter dem Mikroskop?“

„Ja, aber nicht im Lichtmikroskop, denn dafür reicht dessen Vergrößerung nicht aus“, erkläre ich und fahre fort. „In unserer Forschungsgruppe arbeiten wir an speziellen Mikroskopen, die statt Licht Elektronen zur Bildentstehung nutzen und mit denen man daher viel kleinere Strukturen sichtbar machen kann. Sie heißen Elektronenmikroskope. Und obwohl wir mit diesen Mikroskopen sehr kleine Strukturen im Nanometer-Bereich untersuchen – ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter! – benötigen sie eigene Räume und sind ein Stockwerk hoch. Wenn ich an so einem Mikroskop arbeite, komme ich mir oft vor, als würde ich ein Raumschiff fliegen: Der Raum ist dunkel und nur ein grünes Fluoreszenzleuchten scheint einem entgegen. Allerdings fliegen wir nicht ins All, sondern in die andere Richtung, zum Kern aller Materie. Diese Mikroskope können nämlich sogar atomare Abstände auflösen!“

Wissenschaftler am Forschen
Hier bin ich mit einer sehr guten Freundin & Kollegin im Madam Tussaud’s in New York – hier zwar gestellt, aber ungefähr so haben wir auch den größten Teil unserer Doktorarbeiten miteinander verbracht.

„Dann hast du Atome untersucht?“

Ich muss grinsen. „Nein, einzelne Atome zu beobachten ist wirklich sehr schwer. Mit Elektronenmikroskopie kann man aber Materialien sehr detailliert untersuchen und ihre Eigenschaften bestimmen, zum Beispiel ob sie für den Einsatz in Solarzellen geeignet sind. Man kann die Kristallstruktur, also die Anordnung der Atome zueinander, untersuchen, oder auch die chemische Zusammensetzung, also das Verhältnis der Elemente zueinander. Ohne Elektronenmikroskopie hätte ich nicht herausfinden können, dass bei meiner Kupferindiumsulfid-Synthese in einem Schritt eine komplette Solarzelle entsteht.“

„Oh, eine komplette Solarzelle?“ Mein Gegenüber wirkt verblüfft.

„Theoretisch ja!“ Ich zwinkere ihm zu. „Solarzellen funktionieren so: Durch Einstrahlung von Sonnenlicht auf ein Material entstehen Elektron-Loch-Paare. Die Elektronen haben hierbei eine negative Ladung, die Löcher eine positive. Wenn man diese Paare trennt, kommt es zum Stromfluss. Um die Elektron-Loch-Paare allerdings trennen zu können, braucht man zwei unterschiedliche Materialien: eines, das Elektronen leitet, und eines, das Löcher leitet.“

Ich deute wieder hinter mich auf die Garküche. „Wir waren ja schon beim Kochen. Die Zusammensetzung der einzelnen Zutaten spielt eine große Rolle für den Geschmack, also für das Ergebnis. Das ist bei chemischen Synthesen ähnlich. Ich habe vorhin erzählt, dass Zeit und Temperatur das Ergebnis einer Reaktion verändern können. Genauso können die Wahl der Ausgangsstoffe und ihr Verhältnis zueinander einen Einfluss haben. Bei der Herstellung von Kupferindiumsulfid haben wir mit dem Anteil an Schwefel experimentiert, also mehr oder weniger Schwefel zugegeben. Dabei habe ich festgestellt, dass für mehr Schwefel in der Reaktion nicht mehr nur eine Schicht entsteht sondern zwei, jeweils nur fünfhundert Nanometer dicke Schichten.

“Im Elektronenmikroskop konnte ich dann herausfinden, dass diese Schichten aus zwei unterschiedlichen Materialien bestehen: nämlich Kupferindiumsulfid, auf dem eine Schicht Indiumsulfid wächst. Während Kupferindiumsulfid besser Löcher leiten kann, kann Indiumsulfid Elektronen besser leiten. Und somit ist die Solarzelle komplett!“

„Oh wow! In einem Schritt?

Kann ich mir denn deine Solarzelle kaufen?“

Ich schüttle den Kopf. „Nein, noch nicht. Wir machen größtenteils Grundlagenforschung. Bis die Ergebnisse, die wir erzielen, in der Industrie ankommen, dauert es sehr lange. Aber das ist nicht schlimm! Mit Grundlagenforschung setzt man ein Fundament für weitere Forschung. Und wer weiß? Vielleicht kann man meine Solarzelle doch einmal kaufen – oder selber kochen!“

Solarzellen aus dem Schnellkochtopf
Bild von Bruno /Germany auf Pixabay.

Was ich sonst so über Wissenschaft schreibe, findest du hier.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert