liebe lúthie.
Du bist die Beste.
Du hast nicht nur den schönsten Katzennamen, den es gibt (I mean … Lúthien!), sondern du hast auch das schönste Katzenleben – und deine Menschen voll im Griff.
Essen wird pünktlich geliefert – und wenn es nicht schmeckt, dann kann man seine Menschen ja so lange nerven, bis sie einem etwas besseres servieren (du hast schon Recht, dafür sind sie ja schließlich da!). Alleine essen ist dann aber auch doof – es muss dir schon jemand Gesellschaft leisten (du hast ja Recht, wir Menschen essen ja auch selten alleine!). Mäuse gibt es im Garten auch genug – naja, zumindest bis du sie ausgerottet hattest. Dass man als Katze diese Mäuse dann auch verspeisen muss, ist ja leider eine Art Gesetze – schmecken müssen einem die deswegen noch lange nicht.
Was umso besser schmeckt, ist selbstverständlich Fisch. Zu doof, dass es im heimischen Gebiet keinen Fischteich gibt, sonst könntest du dir selbst Fisch fangen. So musst du immer warten, bis entweder Sonntag und somit Thunfisch-Zeit ist, oder bis die Menschen Fisch essen. Und dir natürlich was abgeben. Denn, wo würden wir denn hinkommen, wenn du nicht vom Essen der Menschen probieren dürftest? Dabei ist auch erstmal egal, was es ist. Sollte dir das Menschenessen aber mal nicht schmecken, bist du auch vollkommen zufrieden damit, einfach auf deinem eigenen Stuhl sitzen und dabei sein zu dürfen (und manchmal dabei einzuschlafen). Ach, aber: hat da gerade jemand »Schinken« gesagt …?
Du hast ein großes Haus mit vielen Zimmern
und sofern dich die Menschen nicht aus Versehen in einem davon einsperren (oder, Gott bewahre, aussperren!), dann hast du viele, viele Betten, Sofas und Stühle, oder auch Beine oder andere menschliche Körperteile, oder das Rosenbeet, zur Weihnachtszeit auch gerne die Krippe (denn: warum nicht?) für das Vormittags-, Mittags-, Nachmittags- oder Abendschläfchen zur Verfügung. Natürlich immer die Plätze, auf denen auch die Menschen am liebsten liegen oder sitzen (du hast ja Recht, warum sollte hier jemand Vorrang bekommen?).
Na, und ein paar Katzenklischees muss man halt auch bedienen als Chefin im Haus: Kisten, Kartons, Körbe – die sind der Kracher. Aus dem Fenster zu schauen ist aber auch nicht verkehrt.
Nachts dagegen muss das Revier verteidigt werden – können ja keine anderen Katzen oder Kater einfach so hier herumstreunen. Die müssen überwacht werden! Natürlich hast du aber auch Katzenfreunde – zum Beispiel deine Fast-Schwester Tinúviel, die sich scheinbar dachte »Ach, wo eine Lúthie zufrieden ist, da kann es ja nicht verkehrt sein!«, oder ein kleiner Mann, dem man noch ein bisschen den Kopf zurecht rücken muss.
Kraulsessions
sind dir auch sehr wichtig. Hierfür dann gerne gezielt die Menschen aussuchen, die nicht so oft im Hoheitsgebiet anwesend sind – und die müssen dann diese arme (!) vernachlässigte (!) niiie gestreichelte (!) Katze verwöhnen. Gerne bitte auch mal fünf Stunden am Stück, denn die ärmste Katze der Welt verdient das ja wohl (du hast ja Recht – wer verdient das nicht?).
Außerdem hast du das schönste getiegerte Fell, du bist die schönste Tigerkatze – während andere Menschen das auf das richtige Futter (oder die Anzahl an verspeisten Mäusen?) schieben, liegt es bei dir eindeutig an deiner Liebe zu Bürsten.
Du bist sehr empathisch – und wenn dich ein Mensch besonders braucht, dann bist du bei ihm. Ausschließlich. Ganze Wochenenden. Oder wenn sich die Menschen aufregen (zum Beispiel während nervenaufreibender Fußballspiele) dann bist du zur Stelle, und greifst beruhigend ein (oder ist es eher, weil du bitte beim abendlichen Schläfchen nicht gestört werden willst?). Und wenn nötig verteilst du Küsschen, denn – seien wir mal ehrlich – die kann jeder immer brauchen.
Und Geschenke!
Habe ich Geschenke erwähnt? Du magst Geschenke so gerne, dass du sogar den selben toten Vogel dreimal verschenkst. An einem Tag. Schließlich werden gute Geschenke nicht schlecht, oder?
Genauso bist du aber verrückt und wild, und wie! Durch den Garten zu fetzen, hin und her, vor und zurück, Bäume rauf und Bäume runter. Selbst im hohen Alter spielst du gerne mal ‘ne Runde (du hast ja Recht, man ist immer nur so alt, wie man sich fühlt!).
Du hast einer genetischen Unwahrscheinlichkeit getrotzt – sind die meisten roten Katzen doch männliche. Aber wenn ich darüber nachdenke, sind wohl auch in Mathematik, Physik und Chemie die meisten Absolventen männlich … du passt also ausgezeichnet in unsere Familie.
Du hast so einiges überstanden – Menschen, die aufwachsen, Menschen, die ausziehen, Menschen, die dazukommen, Menschen, die verzückt Quietschen, wenn sie dich sehen. Du hast Verletzungen überstanden, und bist mittlerweile fast blind. Naja, man kann sich mit allem arrangieren, oder? Wenn man ab und an gegen eine Tür läuft muss man eben das nächste Mal einen größeren Bogen laufen, das ist doch nicht so wild (und, Zitat Tierärztin: »Zeitung kann[st du] nicht mehr lesen, aber das ha[s]t [du] wahrscheinlich eh nicht so viel gemacht.«).
Katzen haben sieben Leben
so sagt man (manche sagen sogar, neun).
Liebe Lúthie, du hast deine Leben leider aufgebraucht. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte – aber nach 14 Jahren (oder, traditionell in Katzenjahre umgerechnet: 98 Jahren) müssen wir dich leider ziehen lassen. Du wirst so sehr fehlen, uns allen (selbst dem Papa, der, Zitat, »ja nie eine Katze wollte« – aber irgendwie hast du ihn um den Finger gewickelt). Ich kann mir nicht vorstellen, das erste Mal nach Hause zu fahren, und du bist nicht da. Ich werde es durchstehen, klar – aber du wirst fehlen.
Ich bin traurig, dass ich nicht persönlich von dir Abschied nehmen konnte – aber ich bin froh, dass du nicht weiter leiden musst.
Wie sagt meine Schwester treffend? »Du hast Spuren hinterlassen.«
Und ich bin sicher, dass heute Nachmittag, irgendwo auf der Welt, eine kleine getigerte Katze geboren wurde. Voll mit Abenteuerlust und Schabernack.
So wie du.
Tschüss, Lúthie.
Jag’ ein paar Wolken für mich.
RIP Lúthien, die Tigerkatze † 23.10.2020
P.S.: Du hast ja Recht – das mit dem Schabernack kann ja gar nicht sein – es warst ja nie du. Sorry.