a thousand days.
oder: was hat sich seit dem Ende meiner Doktorarbeit verändert?
Heute ist es genau 1000 Tage her, dass ich meine Doktorarbeit verteidigt habe. Vor einer Gruppe Professoren stand, meine Arbeit vorgestellt und mit Ihnen darüber diskutiert habe. (Genauer über den Tag der Prüfung geschrieben habe ich hier, generell über die Doktorarbeit hier, und allgemeinverständlicher hier.) Nach der Verteidigung gab es dann auch erstmal noch einiges offizielles zu tun – weitere Ergebnisse veröffentlichen, die letzten Korrekturen an der Doktorarbeit vornehmen, sie letztendlich auch veröffentlichen. Danach hielt ich dann die Urkunde in der Hand und war offiziell Doktorin.
Und dann? Was hat sich nach der Verteidigung der Doktorarbeit, nach dem Ende eines längeren Lebensabschnitts, verändert?
Spoiler vorne weg: viel verändert hat sich nicht und ich weiß immer noch nicht, was ich mit meinem Leben anfangen will 😉
Tausend Tage.
Es ist eine absurde Zahl finde ich. Natürlich nicht so hoch wie “eine Million” oder “eine Millarde” oder gar “eine Trilliarde” – aber hoch. Keine Zahl, die man einfach an den Fingern abzählen kann oder einfach in seiner Wohnung entdecken kann. (Gut, es sei denn man besitzt 1000 Bücher (Neid!), wohnt in einer Bibliothek oder schwimmt, sprichwörtlich, im Geld.)
Das sind 2.7 Jahre. Mehr als zweieinhalb, weniger als drei Jahre. Irgendwas dazwischen, und doch irgendwie besonders. Denn: 1000 Tage.
Was habe ich erwartet?
Naja, irgendwie, dass ich, wenn ich denn dann den Doktortitel habe, plötzlich alles weiß. Mir über alles klar bin. Keine Unsicherheiten mehr da sind.
Ich habe erwartet, dass ich mit Leichtigkeit einen neuen Job finde, in dem ich glücklich und zufrieden weiterhin ein nerdiger Wissenschaftler sein kann.
Und was ist passiert?
Genau das Gleiche, was einem passiert, wenn man mit 16 denkt “Ja, mit 18, da bin ich garantiert ausgezogen!”. Mit 18, wenn man noch bei seinen Eltern wohnt, denkt man dann “Ach, wenn ich 30 bin, dann wohne ich sicher schon mit meinem Mann und mindestens fünf Kindern {ich habe nicht gesagt, dass die Gedanken realistisch sind} im eigenen Haus.”
Ich glaube ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage, dass ich mit 30 noch Mitten in der Doktorarbeit steckte. Ich war zwar mittlerweile tatsächlich ausgezogen, aber ich war noch weit davon entfernt, verheiratet zu sein, auch nur ein Kind zu haben, oder gar ein Haus zu besitzen.
Ist es da verwunderlich, dass auch meine Gedanken, die ich mir für diese ominöse Zeit nach der Doktorarbeit gemacht hatte, nicht ganz zutreffen waren?
Ich weiß nämlich nicht alles. Ich bin unsicherer als jemals zuvor, was ich mit meiner Zukunft anfangen will. Und habe demzufolge auch noch keinen neuen Job gefunden. (Aber immerhin den Alten behalten, sozusagen.)
Butter bei die Fische: was hat sich denn nun verändert nach der Verteidigung der Doktorarbeit?
Verändert hat sich zum Beispiel, dass ich immer noch sehr verwirrt bin, wenn ich als “Doktor Annasita” beim Arzt aufgerufen werde. (Da bin ich aber nicht die Einzige – die Blicke, die ich oft ernte, wenn ich als Angesprochene aufstehe, sind teilweise echt sehr amüsant.) Die Krankenkassenkarte ist nämlich die einzige Karte, auf der ich den Doktortitel habe eintragen lassen. Dabei dürfte ich ihn auch im Personalausweis führen. Will ich aber gar nicht. Der Titel selbst bedeutet mir nichts.
Verändert hat sich, dass mir klar geworden ist, dass eine Promotion mir keine Antworten auf meine Fragen nach dem Sinn des Lebens gibt. Gut, vielleicht hätte ich in Philosophie promovieren und einen Arbeit über “42” schreiben sollen, aber ich bin mir fast sicher, dass mir das auch nicht mehr Antworten gegeben hätte. (Wobei 42 natürlich die Antwort ist. Schon klar.)
Verändert hat sich auch, dass ich jetzt weiß, dass mir all die Titel und das Streben nach Besser nichts geben.
Was heißt das also?
Je mehr ich weiß, desto mehr erkenne ich, dass ich nichts weiß.
Albert Einstein
Es heißt, dass ich nichts verändert hat – und doch irgendwie alles. Irgendwie ist das ja auch der Grund, warum ich hier diesen Blog habe – um mir selber wieder mehr klar zu werden, was ich eigentlich will. Wohin ich will. Und was ich da dann machen will.
Klar, weiterhin ein bisschen nerdige Wissenschaftlerin bleiben – weil Wissenschaft ist schon einfach geil.
Und natürlich verändert sich jeder von uns – jeden Tag ein bisschen. Jede Entscheidung die wir treffen, jede Abzweigung, die wir nehmen, jeder Gedanke, den wir haben, verändert uns.
Mich haben die letzten 1000 Tage insofern verändert, dass mir das klar geworden ist. Dass nichts im Leben vorgegeben ist, und ich mich immer wieder neu entscheiden kann, was ich damit anfangen will.
Nach der Verteidigung der Doktorarbeit ist also nur vor dem Rest des Lebens.
Aber wie genau will ich mein Leben nun gestalten?
Vielleicht weiß ich es nach den nächsten 1000 Tagen. 🙂